Irren ist nützlich…

Aus dem gedruckten FOLIO der Berufsbildung Schweiz, Nr. 4/21, welche unter https://www.bch-fps.ch/folio/1848-2/archiv-2021 publiziert werden.

Buchcover: Henning Beck: Irren ist nützlich, Carl Hanser Verlag München
Quelle: https://riff.media/images/Hanser-Beck-Irren.jpg?w=1200&h=631&fit=crop-50-50&s=1b84e82c1d81721cd13f5a46dacee6a5 aufgerufen am 19.09.2021

In der Schule ist er so selbstverständlich wie die Löcher im Schweizer Käse: der Rotstift der Lehrperson. Er transportiert eine klare Botschaft: Fehleranzeige! Wichtiger als diese Funktionszuschreibung sind die Rückwirkung auf das Verhalten der Lernenden. Wenn am Ende eines Lernprozesses dessen Erfolg über die Zahl der rot markierten Fehler gemessen wird, dann ist Fehlervermeidung für die Lernenden das oberste Gebot.

Auch dies muss zunächst nicht problematisch sein. Pädagogisch bedenklich wird erst die dahinter liegende Lernhaltung. Das Lernen richtet sich darauf aus, die möglichst eindeutige und richtige Antwort bez. Lösung auf mögliche Prüfungsaufgaben zu identifizieren und diese in der Prüfung zu erinnern und zu reproduzieren. Antworten bzw. Lösungen werden dann nicht kognitiv erarbeitet, sondern memorisiert und gespeichert. Denkrichtungen wie „Warum ist etwas falsch?“ bzw. „Unter welchen Bedingungen könnte es trotzdem richtig sein?“ bleiben in dieser Logik zumeist ausgespart. Dies führt schnurstracks in eine abgepackte, fade Welt von Schule, in der vor lauter Antworten die Frage erstickt werden.

Eine solche Lernhaltung passt nicht zu offenen Problemstellungen aus vielen Lebensbereichen, zu denen häufig keine richtige oder falsche Lösung existiert, sondern „nur“ plausible und nachvollziehbare Begründungen für eine vertretene Lösung gefordert sind. Irren ist nützlich – eine Grundweisheit in vielen Bereichen der gesellschaftlichen und ökonomischen Praxis, offensichtlich aber nur bedingt in der Schule!

Wenn wir keinen Fehler machen, dann bedeutet das, dass wir nicht genügend neue Dinge ausprobieren.

Philip Knight

Sie mögen einwenden, dass Fehlervermeidung auch in der Lebenspraxis unverzichtbar ist. Wer möchte schon in einem Flugzeug steigen, dessen Steuerung von einem Piloten verantwortet wird, der sich tastend und explorativ mit den Möglichkeiten seines Gerätes vertraut macht? Oder sich von einem Chirurgen operieren lassen, der aus seinen Fehlern lernen möchte und daher eine Operation als ein willkommenes Experiment versteht? In vielen Lebensbereichen müssen wir uns darauf verlassen, dass Menschen keine Fehler machen – der GAU von Tschernobyl, eine Explosion der Challenger-Raumfähre oder die vielen täglichen Verkehrsunfälle zeigen uns jedoch, dass Fehler menschlich sind und trotz aller Sicherheitssysteme nicht vermieden werden. Die Beispiele zeigen zugleich, dass es wohl unterschiedliche Fehlerarten gibt – solche, die möglichst zu vermeiden sind, und solche, die für das menschliche Lernen wertvoll sind.

Wertvoll sind Fehler und das Lernen aus ihnen immer dann, wenn subjektiv und objektiv eine Herausforderung (noch) nicht bewältigt werden kann. So ist die Erkenntnisgewinnung in der Wissenschaft nichts anderes als Lernen aus Fehlern. Eine Theorie wird aufgestellt, widerlegt, verfeinert – und häufig erneuert widerlegt. In Nachhinein ist unvorstellbar, wie man glauben konnte, was einmal als eine unverrückbare Wahrheit galt. Die Erde ist eine Scheibe und der Mittelpunkt des Universums – bis Kopernikus, Galileo Galilei und Johannes Kepler diese Theorie durch eine neue ersetzten. Die Luftfahrt ist sicherer geworden, weil die Berichte von zahllosen Zwischenfällen ausgewertet wurden und verstehende Abläufe verändert haben. Lernen erfolgt nicht nur an guten Beispielen, sondern auch an schlechten!

Wenn wir keinen Fehler machen, dann bedeutet das, dass wir nicht genügend neue Dinge ausprobieren. Lernende dürfen keine Angst haben, Fehler zu machen. sonst haben sie Angst, Entscheidungen zu treffen. Lernen aus Fehlern erfordert nicht zuletzt Lehrende, die ihren Blick beim Erkennen von Fehlern nicht primär auf den Rotstift, sondern auf das Lernpotenzial von Fehlern richten. Fehler sind demnach nicht aus dem Lernprozess zu verbannen, sondern als eine hilfreiche Etappe in dessen Ablauf zu nutzen. Seitens der Lehrperson erfordert dies

  • die Schaffung eines sozialen Klimas und der psychologischen Sicherheit, in der Fehler akzeptiert und zu einem plausiblen Ergebnis geführt werden:;
  • die Geduld, Fehler von Lernenden geschehen zu lassen;
  • ein Wissen über typische Fehler von lernenden in jeweiligen Fach;
  • die Fähigkeit zu lernförderlichen emotional ermutigenden Rückmeldungen bei auftretenden Fehlern.

Der analoge Rotstift mag im digitalen Zeitalter durch andere Formen der Fehleranzeige ersetzt werden – die durch ihn ausgelöste Haltung bei den lernenden ist damit nicht auch schon verschwunden!

LearningView

Heute habe ich das Learning Management System (LMS) mit dem Namen LearningView kennengelernt. Dieses ist ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt der Pädagogischen Hochschule Schwyz in Kooperation mit der Projektschule Goldau. Eine Beschreibung aus der Webseite.

LearningView ist für Schülerinnen und Schüler ein Werkzeug zur Planung, Dokumentation und Reflexion ihres eigenen Lernprozesses und zur Förderung ihrer Selbstlernkompetenzen. Was kann ich eigentlich schon, wo muss ich noch etwas tun, welche Aufgaben wähle ich mir dazu aus usw. Dazu verwenden sie ihre persönlichen digitalen Geräte, wie Smartphones, Tablets oder Notebooks. In einem strukturierten Lernjournal legen sie für sich und für die Lehrperson Lernprodukte in Form von Texten, Bildern, Audio- und Videoaufnahmen und Dokumente ab.

Startseite LearningView, Quelle: https://learningview.org/ aufgerufen am 12.11.2020

Tipp: Arbeite mit Farben der einzelnen Aktivitäten zum Beispiel blau > Input, gelb > Übungen, grün > Test, violett > Experiment Zuhause… es scheint vor allem für Unterstufe sehr geeignet zu sein, kann aber auch für andere Schulstufen wohl problemlos genutzt werden.

Dialogisches Lernen

Eine Erklärung zum Thema dialogischen lernen. Aktuelle Themen wie der Klimawandel können nicht wirklich mit dem klassischen Unterricht gelöst werden, da es nicht eine Lösung gibt, sondern diese gemeinsam im Dialog gefunden werden soll.

#digifernunterricht von Philippe Wampfler
Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=Hz_gKD7M4Rw&t aufgerufen am 2.6.2020

Zusammenfassende Gedanken

Grundkräfte

Die drei Grundkräfte des dialogisches Lernens

  • Ich – VERTRAUEN in die eigenen Möglichkeiten
  • Du – NEUGIER auf Fremdes und Respekt vor den Reaktionen des Gegenübers
  • Wir – ZUVERSICHT bei der Suche nach Verbinden und Zusammenhängen

Kreislauf

#digifernunterricht von Philippe Wampfler, Zeitpunkt 5:36
Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=Hz_gKD7M4Rw&t aufgerufen am 2.6.2020
  • Auftrag – Der Auftrag ist offen für verschiedene Zugänge ist aber trotzdem Fokussiert.
  • Lernprodukt – Mindmap, Videos, Audiodatei, usw.
  • Feedback – Im Gespräch mit den Lernenden
  • Kernidee – Aus dem Dialog entstehen Kernideen für die Zukunft.

Zeitlicher Ablauf

#digifernunterricht von Philippe Wampfler, Zeitpunkt 7:30
Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=Hz_gKD7M4Rw&t aufgerufen am 2.6.2020

Der gelbe Bereich braucht viel Zeit und kann Hausaufgaben darstellen. Feedback noch vor der nächsten Präsenzlernen möglich.

Das SMAR Modell zur Integration von Lerntechnologie

Die Technologie ändert sich und das SAMR Modell zeigt, wie sich diese Veränderungen zur Integration von neuen Lerntechnologien verhält.

SAMR Modell
Quelle: https://pbs.twimg.com/media/DO6oWIRWkAEpXwh.jpg abgerufen am 1.5.2020

Die Phasen des SAMR Modelles:

  • Ersetzen (Substitution): Technik is direkter Ersatz für Arbeitsmittel, ohne funktionale Änderung.
  • Erweiterung (Augmentation): Technik ist direkter Ersatz für Arbeitsmittel mit funktionaler Verbesserung.
  • Änderung (Modifikation): Technik ermöglich beachtliche Neugestaltung von Aufgaben.
  • Neubelegung (Redefinition): Technik ermöglich das Erzeugen neuartiger Aufgaben, die zuvor unvorstellbar waren.